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Hier findet man jederzeit nachdenkende Texte aller Art und (m)eines einzigen
Copyrights, zwischen Kurzgeschichten, Artikeln, Glossen und Aphorismen
manchmal auch so etwas Lyrik und immer mit dem literarischen Anspruch
der Lesenswertigkeit. Das glauben Sie mir nicht? Schauen Sie doch selbst...

Katzenelson,
gez.: Vom Leben!
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Verriss


  Der Film handelte von einer Engländerin, die ein Baby von einem Neger zur Welt gebracht hatte; damit fing alles an.
  Das Kind, es war ein Mädchen, hatte wirklich ziemlich dunkle Haut. Die Mutter selber aber, eine gewisse Anne Campbell, eigentlich aus Süd-Wales, war von sehr heller Haut, mit rötlich blondem Haar obendrein. Und sogar Sommersprossen hatte sie, derart hell.
  Damit sie samt ihrem Kind nicht so auffalle, und dass die Leute nicht wie verrückt glotzten, versuchte sie ständig, dunkel auszusehen. Der Film hatte echt diese Anmaßung von Sozialkritischem zum Thema, low budget in jener Hinsicht: Anne Campbell färbte also ihre Haare schwarz und dauernd gab sie alles mögliche Geld für Bräunungscremes aus. Nur falls ihr diese kostümreife Verstellung gelang, traute sie sich mit der kleinen Tochter auf die Straße. Sie wurde wirklich sehr hartnäckig damit, geradezu obsessiv. Als hätte sie die Blicke nicht aushalten können, sollte man meinen.
  Und dann zog sie sogar in eine Gegend von London, wo viele Schwarze lebten, nämlich nach Brixton, im Süden der Stadt, in ein schrecklich hässliches Haus, in eine auffallend hübsche Wohnung, wie ich fand. Ein wahrlich furchtbarer Film.
  Den Kontakt zu ihren Eltern, ein paar entsetzlich hutzelige Leute bei bester Gesundheit, brach sie völlig ab. So traf sie bald niemanden mehr, der ihr andauernd dumme Fragen und Blicke zuwarf. Mit der Zeit entsorgte sie zudem alte Fotos, bis sie bald selbst vergessen hatte, wie sie einmal gewesen war. Das dunkle Töchterchen aber liebte sie über alles, wie besessen. Jemand anderes war ihr wohl auch nicht geblieben.
  Als sie einmal versuchte, die Beziehung mit dem Kindvater neu aufzunehmen, der noch vor der Geburt verschwunden war, weil er ein Matrose war oder so, als sie sich also ein paar Mal mit ihm getroffen hatte, da mochte der sie gar nicht mehr anschauen, so dunkel war sie geworden. Es machte ihn rasend, denn ausgerechnet er mochte ja die Blonden so gern.
  Und in dieser Zeit traf Anne Campbell dann auf einen gewissen Henry Armstrong, ein Zugereister aus Amerika, der beim London Symphony Orchestra Paukenschläger war und anscheinend gut verdiente. Außerdem war er ziemlich dunkelhäutig, weil er selber ein Mischling war. Er sah wirklich aus wie ein Indianer, auf jeden Fall dieser Schauspieler, der sich für ihn auf der Leinwand verausgabte. Und alle waren glücklich, sozusagen.
  Eines Tages aber verliebte sie sich trotzdem in einen Juden aus der Stadt, einen dieser betuchten Ashkenasi, etablierte Diamantenhändlerfamilie oder so. Der war polnischer Abstammung, blass und sehr blond. Und weil der klar denken konnte, trieb er ihr die Flausen aus dem Kopf, und bald gab sie endlich diese meschuggene Bräunungscreme auf, färbte auch die Haare nicht mehr nach. Dieser Pole fand sie fortan noch viel hübscher, während Armstrong, der Paukenschläger, sie enttäuscht verließ; ganz aufgeregt tat er, schlimme Szene.
  Sie jedenfalls tröstete sich schnell mit dem Juden und wurde noch einmal glücklich, obwohl den das Kind irgendwie nervte.
  Bis sie eines Tages vom Tod ihrer Eltern hörte. Da war der Vater schon einige Wochen tot und beerdigt, die Mutter jedoch soeben erst. Die hatte nicht wollen, dass man die gute Anne über den Tod des Vaters informierte. Und nur von Amts wegen unterrichtete man sie überhaupt vom Ableben der verrunzelten Mutter, weil es keine Verwandten sonst gab.
  Also setzte sich Anne Campbell in einen Leihwagen und fuhr über die Autobahn nach vielen Jahren zum ersten Mal in die Heimatstadt zurück, das Elternhaus aufzulösen, den Nachlass zu regeln, was halt so anfiel, was weiß ich.
  Wenn ich doch nur eingeschlafen wäre, aber nein. Manche Filme sind so schlecht, sie eignen sich nicht mal dazu.
  Ein unerträglich langer Teil des Streifens wurde mit dieser Autofahrt bestückt: Man musste zuschauen, wie jene Anne da über die M4 - welche von London im Osten, vorbei am Flugplatz Heathrow in Richtung Westen nach Bristol und Süd-Wales führt - entlang zuckelte, in diesem Kleinwagen, der anscheinend über das merkwürdigste Radio der Filmwelt verfügte, denn es gab nur klassische Musik von unbekannten Komponisten her, über deren Unbekanntsein man sich wirklich nicht zu wundern brauchte; es war niederschmetternd.
  Erst als die junge Frau endlich ankam, erfuhr sie, man hatte die Mutter noch gar nicht beerdigt, sondern vielmehr auf die Tochter gewartet. Anne Campbell ging also ins Krematorium, wo die knitterige Mutter im Kühlfach lag. (An der Stelle hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn sie praktischerweise das Autoradio vor Ort einäschern lassen würde. Ich hätte es getan.)
  Der Arzt dort sagte ihr, das alte Mütterchen, diese zierliche, geschrumpfte alte Frau, hätte Bräunungscreme gegessen, etwa fünfhundert Gramm, und sei daran gestorben. Der ganze Magen sei verklebt und vergiftet gewesen, es müsse qualvoll gewesen sein. Da brach der Tochter das Herz und der Verstand, sie fuhr heim, ohne dass Gott sei Dank die vollständige Rückreise gezeigt wurde, und erstach ihr kleines Mädchen, das gerade eine Woche vorm zehnten Geburtstag stand.
  Dann kam sie ins Gefängnis und wurde therapiert.
  Nach drei Jahren wurde ihr die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt, weil auch keine Wiederholungsgefahr bestand; sie hatte ja niemanden mehr.
Kaum draußen fing sie im ersten Laden erneut ihren Spleen mit der Bräunungscreme an, obwohl es gegen die Bewährungsauflagen verstieß. Und falls sie jemand fragte, gab sie sich stets für ihre eigene Tochter aus, die sie getötet hatte, als könnte das die Kleine sozusagen am Leben halten, wenn sie sich nur fleißig für sie ausgeben würde.
  Die Leute hielten sie also für verrückt, glotzten die Anne Campbell entgeistert an, wo immer sie auftauchte, und tuschelten über sie. Genau das hatte sie am Anfang des Filmes ja eigentlich verhindern wollen, nun war es ihr aber obviously egal - und so schloss sich also der Kreis. Welcher Kreis?
  Der komplette Film war wirklich nur deprimierend und ziemlich stupide. Dummes Zeug deprimiert mich immer wahnsinnig, das war gröbster Schund. Nach so was kann ich meist dann ein paar Tage lang gar nicht richtig atmen und auch keine vernünftigen Gespräche führen. Also, diesen Regisseur sollte man wirklich aufknüpfen. Solche Leute können einem nämlich tatsächlich das ganze Leben verderben für eine Weile und sollten aus dem Verkehr gezogen werden.
  Ich meine, irgendwie muss man sich doch gegen die wehren. Die verdienen obendrein noch Geld mit diesem Plunder.
  Auch verstehe ich gar nicht die Schauspieler, die sich überhaupt zur Verfügung stellen für einen derart vollgestopften Mist. Was haben die eigentlich für Agenten? Wenn die Todesstrafe bei uns einmal wieder eingeführt wird, werde ich mich mal bemühen, sie zu ermitteln. Sie ausfindig zu machen, daran ist mir tatsächlich viel gelegen, ganz im Ernst.

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