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Hier findet man jederzeit nachdenkende Texte aller Art und (m)eines einzigen
Copyrights, zwischen Kurzgeschichten, Artikeln, Glossen und Aphorismen
manchmal auch so etwas Lyrik und immer mit dem literarischen Anspruch
der Lesenswertigkeit. Das glauben Sie mir nicht? Schauen Sie doch selbst...

Katzenelson,
gez.: Vom Leben!
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Märchen


  Es war einmal ein kleiner Bauernhof. Klein, weil der alte Gutsherr auf seine letzten Tage schlechterdings verarmt war und nur eine Kuh sein Eigen zu nennen noch schaffte. Diese allerdings gab erstaunlich gute Milch und reichlich, so dass der gebrechliche Herr doch genug für seinen Lebensabend überhatte. Wenn er die Kuh morgens entsaftete, muhte sie allzeit zufrieden und leckte ihm mit ihrer feuchten Zunge behutsam den Arbeitsschweiß aus der gefurchten Stirn - und alles war gut zwischen ihnen.

  Nun begab es sich eines Tages, dass ein junger Mann an der weidlichen Spärlichkeit des Bauern vorüberkam und diesem beim beschwerlichen Werken eine Weile zusah. »Hört, mein Herr«, hob er dann eine ausgelaugte Stimme ins Sprechen, »ich komme von weit her, habe Haus und Heimat aus den Augen nicht nur verloren, meine Beine sind lahm geworden und allzu schwer vom irrlangen Wandern. Gebt Ihr mir Ruhstatt und eine warme Mahlzeit nur, so werdet Ihr es nicht bereuen. Ich kann Euch gut zur Hand gehen und Euch vieles erleichtern.«

  Der Bauer, der im erreichten Lebensalter wohl schroff wirken mochte, aber im Grunde seines Herzens ein guter Mensch doch war, nahm den jungen Mann in sein karges Haus auf und gab im Teilen bereitwillig her, was sein bescheidenes Haben derart erlaubte.

  So saßen sie beim zufriedenen Küchenfeuer bis in den späten Abend, redeten und erzählten und verstanden einander ausnehmlich gut, dass der Bauer den Fremden gerne als Knecht zum Tagelohn bei sich aufnehmen mochte. Und so geschah es dann auch, noch bevor sie sich zum Schlaf niederlegten, von dem der Alte nicht mehr erwachen sollte.

  Am nächsten Morgen dann, in aller Früh, begab sich der Junge zur Kuh und melkte sie, wie es der Alte seit jeher getan hatte. Darüber wunderte sich die Kuh, zumal es sich am folgenden Tag nicht anders wiederholte, und so fragte sie letztendlich nach: »Sag an, Geselle, wo ist mein Herr verblieben, der zu mir gehört?«
  Völlig verdutzt hielt der Junge im Melken inne, und als er sich einigermaßen besonnen hatte, sprach er leise seinen Bericht: »Es tut mir leid, liebe Kuh, aber dein Herr war schon alt. Gott rief ihn zu sich, mit ihm den Himmel zu teilen. Er verstarb in vorletzter Nacht.«
  »Aha, im Himmel ist er also,« rief die Kuh und schaute bis ganz nach oben hinauf.

  Als tagsdrauf der verwaiste Melker wiederkam, sah er nur und gerade noch, wie die Kuh hinter einer Wolke ins Jenseitige entschwand. Da wurde er selbst seltsam traurig, lief in den Stall und suchte nach der längsten Leiter.

1 Kommentar:

monika wilhelm hat gesagt…

hab es gerne gelesen...
was die liebe alles schafft...

herzensgruß

monimohn